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Moskau feiert Wirtschaftswachstum | © 2025 Flux Legite JS

Trotz Sanktionen im Aufschwung? Moskau feiert Wirtschaftswachstum – doch Zweifel bleiben

Russland meldet Aufschwung – BIP soll deutlich gestiegen sein
Die russische Regierung hat jüngst Zahlen vorgelegt, die Beobachter im Westen aufhorchen lassen. Demnach ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2024 um 3,6 Prozent gestiegen – ein Wert, der deutlich über den Prognosen westlicher Wirtschaftsinstitute liegt. Der russische Premierminister Michail Mischustin erklärte in einer Sitzung des Föderationsrats, die Wirtschaft habe „die externe Druckkulisse überwunden“ und befinde sich nun „auf einem nachhaltigen Wachstumspfad“. Besonders stark sei die Industrieproduktion, die laut dem russischen Statistikamt Rosstat um 6,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegen konnte. Auch der Einzelhandel erholte sich mit einem Wachstum von rund 7 Prozent, gestützt durch gestiegene Löhne und staatliche Transferleistungen. Präsident Putin sprach in einer Fernsehansprache von einem „Sieg der wirtschaftlichen Souveränität“ und lobte die „strategische Widerstandskraft“ des Landes. Analysten in Russland verweisen auf den Ausbau innerasiatischer Handelsbeziehungen, insbesondere mit China, Indien und dem Iran, als Motor des Wachstums. Der Rubel zeigte sich gegenüber dem US-Dollar im letzten Quartal stabilisiert, was laut der Zentralbank auf eine „neue Robustheit im Zahlungsverkehr“ zurückzuführen sei. Die Botschaft aus Moskau ist eindeutig: Die Sanktionen haben ihr Ziel verfehlt.

 

IWF-Zahlen im Vergleich: Russland sticht Europa aus – aber wie belastbar sind die Daten?
Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt das reale russische BIP-Wachstum für 2024 auf 2,6 Prozent. Damit liegt Russland klar über dem westlichen Durchschnitt. Deutschland kam 2024 nur auf 0,5 Prozent Wachstum, nach einem Minusjahr 2023. Die Eurozone lag bei 0,8 Prozent, Frankreich stagnierte bei 0,7, Italien bei 0,4 Prozent. Selbst die USA, die mit 2,1 Prozent zulegten, blieben unter der russischen Marke – und das trotz massiver fiskalpolitischer Stimulierung. Auch der globale Schnitt von 3,1 Prozent wurde laut IWF durch Schwellenländer wie China (4,6 %) und Indien (6,5 %) getragen. Russland übertrifft also zahlenmäßig weite Teile des Westens – und das trotz massiver Sanktionen. Doch der IWF verweist gleichzeitig auf die „fragile Zusammensetzung“ des Wachstums: Rüstungsproduktion, staatlich subventionierte Sektoren und Handelsumlenkung dominieren, während Innovation und private Investitionen stagnieren. Ökonomen wie Sergej Gurijew warnen: „Russlands Wirtschaft wächst, aber auf einem Fundament von Militarisierung, Isolation und autoritärer Kontrolle.“ Das Wachstum sei real, aber politisch hochriskant – ein Schattenmodell, das sich nur in Ausnahmelagen behauptet.

 

Handel mit dem Globalen Süden kompensiert Einbußen – vorerst
Ein entscheidender Pfeiler der russischen Wachstumsstrategie liegt in der wirtschaftlichen Neuorientierung. Während der Handel mit der EU seit 2021 um rund 70 Prozent eingebrochen ist, konnte Russland seine Exporte nach Asien fast verdoppeln. Allein China importierte 2024 russische Güter im Wert von 129 Milliarden US-Dollar – ein Plus von 39 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch Indien und die Türkei zählen zu den Gewinnern der neuen Handelsströme: Indien kaufte Öl zu rabattierten Preisen und exportierte dafür Technologie und Medikamente zurück nach Russland. Laut dem russischen Wirtschaftsministerium machen nicht-westliche Staaten inzwischen über 75 Prozent des Außenhandels aus. Dennoch warnen Experten vor zu großer Abhängigkeit von diesen Partnern – insbesondere China diktiere zunehmend die Bedingungen. Der Kreml versucht dem mit bilateralen Investitionsabkommen entgegenzuwirken, die russische Technologieproduktion und Logistik stärken sollen. Doch die strukturelle Abhängigkeit von Rohstoffen bleibt: Öl, Gas und Metalle machen weiterhin über zwei Drittel der russischen Exporte aus. Die Frage bleibt offen, ob Russland damit langfristig eine stabile Wirtschaft aufbauen kann – oder nur eine geopolitisch gestützte Übergangslösung pflegt.

 

Propaganda oder Realität? Die doppelte Lesart des Erfolgs
Die wirtschaftliche Erzählung aus Moskau ist klar: Russland sei widerstandsfähig, souverän und gestärkt. Doch viele Experten – selbst in Russland – mahnen zur Vorsicht. Die Konzentration auf Wachstum in Rüstungs-, Energie- und Agrarsektoren schafft zwar kurzfristige Erfolge, geht aber zulasten von Innovation, Diversifikation und Wettbewerbsfähigkeit. Die digitale Transformation des Landes bleibt laut einer Studie der Higher School of Economics „stark unterfinanziert und fragmentiert“. Auch auf dem Arbeitsmarkt ist die Lage ambivalent: Zwar liegt die offizielle Arbeitslosenquote bei nur 3,2 Prozent, doch viele Jobs sind durch militärnahe oder staatliche Strukturen künstlich gestützt. Bürgerrechtler weisen darauf hin, dass soziale Ungleichheit zunehme und Regionen außerhalb Moskaus kaum von der Konjunktur profitieren. Die russische Führung setzt auf ein Narrativ des Triumphes – nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch. Ob dieses Bild trägt, hängt letztlich davon ab, wie lange das autoritäre Wirtschaftsmodell innenpolitisch stabil bleibt. Die kommenden Monate könnten zeigen, ob der angebliche Aufschwung mehr ist als eine propagandistische Kulisse in Kriegszeiten.

Quellen:

 

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